
Sebastian Stenzel
Aus den Notizen eines Gitarrenbauers: „Sustain oder die metaphysische Stellung der klassischen Gitarre in der Organologie“
Unter diesem etwas monströsen Titel möchte ich einige Gedanken zu einem der wichtigsten Aspekte des Klangs teilen, den wir gemeinhin „Sustain“ nennen. Anders als Akustiker meinen Gitarristen oder Lautenisten mit „Sustain“ in der Regel die Dauer eines gespielten Tons, während der Begriff in der Akustik die Phase eines Tons bezeichnet, in der die Amplitude relativ stabil bleibt, bevor sie abfällt – ein Abschnitt, der bei einem gezupften Ton per Definition eigentlich nicht existiert. Oder doch?
Ein Zitat von Julian Bream:
„Ich finde, es gibt etwas Faszinierendes am gezupften Klang. Die Zupfinstrumente stammen fast alle, wenn nicht sogar alle, aus dem Osten, und vielleicht hängt das mit östlicher Mystik und religiöser Erfahrung zusammen. Der gezupfte Klang hat eine bemerkenswerte Eigenschaft, denn der eigentliche Zupf ist der Höhepunkt des Tons, und danach stirbt er. Und wenn man eine Phrase mit sechs oder sieben Noten spielt, dann hat man es eigentlich mit sechs oder sieben Geburten und sechs oder sieben Toden zu tun. Wir hassen den Tod und wissen nicht, wie wir mit ihm umgehen sollen. Also verlängern wir in Wirklichkeit unser Leben so lange wie möglich. Die Spannung liegt auch in den Zwischenräumen zwischen den Tönen. Und darin liegt der Reiz des gezupften Klangs.“
Eine andere, prosaischere Art, den gezupften Klang zu beschreiben, wäre zu sagen, dass er ein perkussiver Klang mit deutlich hörbarer Tonhöhe ist. Allgemein betrachtet man bei Musikinstrumenten… weiterlesen